Warum gibt es kaum gutes Speiseeis in Eisdielen? Die wissenschaftlichen Hintergründe der modernen Eisherstellung
Ganz einfach: weil gutes Eis nur ganz frisch leicht herzustellen ist. Sobald man es haltbar machen will, wird es richtig kompliziert. Zudem ist echte Eiscreme teuer.
Die meisten von uns kennen gar keine richtig gute Eiscreme. Gemeinsam mit Juan Amador, einem der besten 3-Sterne-Köche Europas, habe ich die beste Eismaschine für die Spitzengastronomie entwickelt und bin dabei tief in die Wissenschaft des Eismachens eingetaucht.
Als ehemaliger Inhaber eines eCommerce-Unternehmens für die weltbeste Gastronomie habe ich nicht den normalen Pfad als "Koch" verfolgt, sondern die Wissenschaft zum Bauchgefühl dazugezogen. So entstanden einige der eindrucksvollsten Geschmackserlebnisse dieses Planeten.
100% Fruchtsaft, Zucker, eventuell Zitronensaft und eine Prise Salz auf -15°C frieren, mit einer Gabel aus dem Behälter kratzen und direkt servieren. Sehr einfach und ein echter Genuss.
Milch, Sahne, Fruchtsaft, Zucker, Salz langsam runterkühlen und dabei in ständiger, sanfter Bewegung halten. Bei ca. -12 bis -15°C erreicht man die perfekte cremige Konsistenz.
Was im Gourmetrestaurant funktioniert, ist in der Eisdiele schwierig und in der Industrie fast unmöglich. Das Eis verliert seine Cremigkeit in der Eisvitrine und ist für die Industrie nicht fest genug.
Diese Mittel binden Wasser und verhindern das Tropfen. Da der Darm sie nicht abbauen kann, gelten sie als Ballaststoffe. Nur wenige Gramm pro Kilogramm reichen für eine kostengünstige "Lösung".
Nehmen wir Erdbeere-Sahne und Pistazie als Beispiele:
Erdbeeren geben wenig Geschmack ab. Der Saft muss in großer oder konzentrierter Menge eingesetzt werden. Kalte Speisen schmecken zudem weniger intensiv als warme.
Sehr teuer und aufwendig in der Verarbeitung. Die Nuss wird kalt gewalzt, das Püree kostet entsprechend viel. Echte Pistazie ist für wenig Geld nicht herzustellen.
Um Eis cremig zu gestalten, brauchen wir eine kontrollierte Umgebung und "Frostschutzmittel" zur Kristallbildung. Hier kommen Zucker und Fett ins Spiel - aber beide sind Geschmacksträger und teuer.
Bei Frost quetschen wachsende Eiskristalle die Zellen von innen und beschädigen Skelett, Membransysteme und Zellkern. Beim Wasserentzug durch Kristallisation entstehen "solution effects" - schädliche Nebeneffekte.
Kohlenwasserstoffketten lagern sich durch Van-der-Waals-Kräfte dichter zusammen. Der Schmelzpunkt der Membran erhöht sich, sie wird weniger flexibel und bricht - der Verlust von Cremigkeit bis hin zum Gefrierbrand.
Jeder Zucker hat eine andere Süßkraft im Verhältnis zur Antigefriereigenschaft:
Die Industrie löst das Konsistenzproblem einfach: Eiscreme wird mit Luft (Stickstoff) aufgeschlagen, das Volumen vervielfacht und echte Cremigkeit vorgetäuscht.
Seit 1995 wurde Magnum systematisch verschlechtert: Erst leichter (mehr Luft), dann teurer, dann kleiner und wieder teurer. Mit Marketingmillionen wurde der Gewinn maximiert, die Zutaten günstiger.
Die Eisdiele um die Ecke kann das nicht. Daher werden die Zutaten günstiger, aber die Technik kann nicht mithalten. Der Geschmack leidet - vielen fällt das nicht auf, da wir zu sehr an schlechten Geschmack gewöhnt sind.
Neue "Anti-Frost-Proteine" (AFPs) aus Fischen werden bereits Lebensmitteln zugemischt. Der Konzern Unilever lässt entsprechende Proteine von gentechnisch veränderten Hefen erzeugen.
Gelöste Stoffe senken das chemische Potenzial von Wasser, was zu Siedepunkt-Erhöhung und Gefrierpunkt-Senkung führt. Pro Osmol sinkt der Gefrierpunkt um 1,86°C. AFPs kontrollieren dies besser als Zucker, Fett und Salz.
Eismacher müssen sich heute differenzieren und wieder mehr Handwerk ins Eis einfließen lassen. Denn genau das kann die Industrie nicht!